Performative Installation: Markt der Märkte

Posted on Jul 31, 2003 in / Serial Events / Serial IFIT

„Markt der Märkte“, Schauspiel mit Rimini-Protokoll, Theater Bonn, Bonn.

©Rimini Protokoll

Markt der Märkte
Von Helgard Haug / Daniel Wetzel

 

Auf dem Balkon des Metropol-Kinos in Bonn sitzen jeden Mittwoch 40 Theaterbesucher und beobachten das Ende des Marktplatz. Zu Wort kommen Marktmacher, Standbesitzer, Wirtschaftsexperten…

„An Markt und Handel erkennt man den Wandel“ steht am Gebäude der Frankfurter Wertpapierbörse in Stein gemeißelt, demnächst wird sie geschlossen. Auf dem Bonner Wochenmarkt aktualisiert sich jeden Werktag dieselbe Szenerie von neuem. Stände werden aufgebaut, mit Waren bestückt – provisorisch, als bräche der Markt am nächsten Tag zusammen.

Helgard Haug und Daniel Wetzel machen im Herbst 2003 den täglichen „kleinen Zusammenbruch“ des Markts zum Stück und den Marktplatz zur Bühne. Den Text haben die Statisten, die Hautdarsteller sind zu beschäftigt. Das Stück beginnt mittwochs um 17.30 Uhr mit der letzten Runde im lautstarken Absetzen der Ware. Um 18.30 Uhr ist Verkaufsschluss, gegen 19.00 Uhr ist das Konsumziel 1:1. Bevor gegen 19.30 Uhr die Reinigungsmaschine das Tagesgemälde aus Resten von den Steinen absaugt, sammelt Stanic Gospava jeden Tag die Zutaten für ihre Suppe auf.

Auf dem Balkon des Metropol-Kinos sitzen jeden Mittwoch 40 Theaterbesucher und beobachten den Marktplatz. Über Kopfhörer wird ihnen eine Ton-Ebene zugespielt, über die

– die zur Aufführungszeit hoch beschäftigten Marktleute in engestrickten Portraits zu hören sind, wie auch Kommenatoren aus anderen Märkten (Wertpapierbörse Frankfurt, Handelssaal der Commerzbank Frankfurt/M., Future Store Rheinberg, etc.)

– die Statisten vom Theater Bonn, die nun als Hauptdarsteller den Marktt durchqueren direkt über Mikrofone sprechen.

Mit Markt der Märkte ziehen sich die Märkte zusammen – verschiebt sich die Brennweite vom lokalen auf den globalen Markt, baut sich das Marktpflaster zum Handels-Parkett um.

Zu Wort kommen Marktmacher, Standbesitzer, Wirtschaftsexperten – hört man genau hin schlägt die Stimme von Bananen Collin beim Ausverkauf in einen Trauergesang um – parallel dazu versucht der Opernstatist Wolfgang Skoda den grauen Markt des Kartenvorverkaufs in Bayreuth nach Bonn zu verlagern und Parsifal gegen Tannhäuser zu tauschen…

Die herrschende Handel-Wirklichkeit bildet die Vorlage der Markt-Inszenierung. Bald ist nicht mehr klar ob die ganze Stadt nicht an dieser Inszenierung teil hat und sie bedingt.

Von: Helgard Haug, Daniel Wetzel
Video: Ahmed Bouygiousan, Alex Guslak, Thomas Hensch
Musikalische Mitarbeit: Christopher Dell
Regieassistenz: Jens Kerbel
Dramaturgie: Michael Eickhoff und Stephanie Gräve
Statistenführer: Hans-Jürgen Moll
Mit: Dustin Loose, Werner Niederastroph, Renate Schnause, Sue Schulze, Wolfgang Skoda, Zoltan Stadler, Bettina Winterhoff (Statisten Theater Bonn), Uwe Freyberg und Jakob Hillebrandt (Verkäufer am Bonner Wochenmarkt), Thomas Hensch und Kollegen (Stadtreinigung Bonn), Jens Kerbel (Abendregie, Inspizient)
Produktion: Theater Bonn
Premiere: Bonn, Metropol / Wochenmarkt, 24. September 2003

 

Quelle: https://www.rimini-protokoll.de/website/de/project/markt-der-maerkte