Essay: The Activist Sounding – Constant Revisited
“The Activist Sounding – Constant Revisited”, in: Susanne Anna, Annette Baumeister (Hg.),
Play!: Spielraum Stadt für Kinder und Erwachsene, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern.
The Activist Sounding – Constant revisited
Projekt zu GoPlay, Stadtmuseum Düsseldorf von Christopher Dell
Im Juli 1948 formiert sich in Amsterdam die Künstlergruppe COBRA. Unter den Gründungsmitgliedern befindet sich, neben Asger Jorn und Christian Dotremants, auch Constant Nieuwenhuis. Die neue Künstler-Allianz identifiziert das kindliche Spiel als Modell für gesellschaftliche Revolution. Die Arbeit von COBRA soll sich der Revitalisierung unbewusster kreativer Potentiale widmen, die, so die Künstler, in jedem präsent, jedoch durch die offiziellen Bilder von Kreativität, durch den Kunstbetrieb, unterdrückt seien. Künstler hätten seit jeher mit den dominanten Mechanismen sozialer Kontrollen kollaboriert, selbst wenn sie sich als Avantgarde versucht hätten zu maskieren. Die Taktik von COBRA ist es, den experimentellen, unschuldigen Geist spielender Kinder gegen eine solche Vereinnahmung zu setzen. Wünsche sollen sich direkt als Wünsche artikulieren, Rauhes muss rauh bleiben – Die einzige Aufgabe des Künstlers besteht dann darin, der Versuchung, dasjenige welches bereits an die Oberfläche kommt, ästhetisch zu transformieren, zu widerstehen. Selber in der klassischen Malkunst ausgebildet, versuchen die Mitglieder von COBRA alle traditionellen Kompositionstechniken zu brechen. Unkrontrollierte Skizzen, gesteuert allein durch die Konsistenz des Materials, produzieren Bilder mit den elementaren Qualitäten von Kinderzeichungen. In Cobra, dem von der Gruppe publizierten Magazin stehen folglich auch Kinderzeichnungen neben eigenen Arbeiten.
Um der Reperession durch Gesetze zu entgehen, übernehmen COBRA die graphischen Taktiken derer, die die Gesetze noch gar nicht kennen. Das Motto lautet: Keine Befreiung ohne von den Kindern zu lernen. Das Kind kennt kein Gesetz ausser der spontanen Erfahrung des Lebens. Es fühlt kein Bedürfnis etwas anderes auszudrücken, sagt Constant in seinem Manifesto für COBRA, publiziert in der ersten Ausgabe der Zeitschrift Reflex. Das freie Engagement in der Welt exemplifiziert die COBRA-spezifischen Termini: Vital, direkt, unmittelbar, energetisch, spontan und experimentell. Was wie ein frivoles, unkontrolliertes Spiel aussieht, wird für COBRA zur Grundlage der realen Transformation von Gesellschaft. Constant: Die Kreidezeichnungen auf den Gehwegen und Wänden zeigen sehr klar, dass Menschen geboren werden, um sich zu manifestieren; der Kampf gegen eine Macht, die sie in die Zwangjacke … steckt und sie von ihrem vitalsten Bedürfnis abhält, ist in vollem Gange. Ein Gemälde ist nicht eine Kompositon von Farben und Tieren, sondern ein Tier, eine Nacht, ein Schrei, ein Mensch oder alles dieser Dinge zusammen. Arbeit wird zur Form eher experimenteller denn ästhetischer Praktiken.
Fotografie eines malenden Kindes, in: Cobra No 10, Herbst 1951.
Als sich COBRA 1952 auflöst, widmet sich Constant weiterhin der Auseinandersetzung mit den Modi des kindlichen Spiels. Jetzt wendet er sich der Architektur zu, vor allem Aldo van Eyck und Alison und Peter Smithson. Zwischen 1947 und 1955 realisiert van Eyck um die sechzig Spielplätze in Amsterdam, für die Constant Spiel-Möbel entwirft.
Für frühe Arbeiten Alison und Peter Smithson, van Eyck’s Kollegen im Team 10, stellt das Kind eine Art Rollenmodell dar. In der Zusammenarbeit mit dem Fotografen Nigel Henderson untersuchen sie die Muster von spielenden Kindern in der Strasse. Diese Studie führt die Smithsons zu einem Vorschlag der freieren Organisation von Stadt. Die Studie wurde 1953 als Chart des Projekts Golden Lane Housing präsentiert. Die Form der vernetzten, in Clustern organisierten Stadt unterläuft die traditionelen Hierarchien urbaner Ordnung von Stadt und kopiert nicht direkt die kreativen Spiele der Kinder, sondern übersetzt sie in ein Muster kontinuierlicher Mobilität.
Nigel Henderson, Fotografie von spielenden Kindern in der Strasse,
in: Alison und Peter Smithson, Urban Structuring, 1953.
The street is an extension of the house; in it children learn for the first time of the world outseide the family: it is a microcosmic world in wich the street games change with the seasons and the hours are reflected in the cycle of street activity.
Alison und Peter Smithson, Golden Lane Housing, 1952.
The Activist Sounding soll als Projekt die Spur von Constant wiederaufnhemen, diesmal nicht in visueller, sondern in klanglicher Form. Mit einer Gruppe von 10-20 Kindern soll eine Untersuchung realisiert werden, die
1. diejenigen Geräusche lokalisiert, die den Kindern in der Stadt am wichtigsten, am bedeutungsvollsten sind
2. den Klang von Kinderspielen in der Strasse aufzeichnet
3. Kinder über die Wege, die sie in der Stadt zurücklegen berichten lässt
Aus dieser Materialsammlung wird eine Klanginstallation in Form eines work-in-progress entstehen, die sich im Laufe der Ausstellung noch erweitern und verändern kann. Angestrebt ist ein soziologisch-künstlerisches Kaleidoskop; eine ästhetische wie politische Frage nach der Perspektivveränderung einer Perzeption urbanen Klangraumes. Wie erleben Kinder den Klang der Stadt? Können aus dieser Perspektive gesellschaftliche Konsequenzen, Modelle, Utopien, abgeleitet werden?