Essay: Struktur und Zeit

Posted on Sep 19, 2008 in / Serial IFIT / Serial Publications

Struktur und Zeit
Christopher Dell

Ausschnitt aus dem Essay:

Sie lief, sie sprang wie das Aufblitzen eines Spiegels, der in der Sonne getragen wird, das Aufblitzen, das bald hierhin, bald dahingeworfen wird; und hätte man genau zusehen können, hätte man sehen können, was da zu sehen war, wie wunderbar! An jeder Stelle, wo sie einen Augenblick verweilte, verwandelte sich ihr Gewand, ihre Gestalt, der Eigenschaft des Ortes, des Hauses entsprechend, dessen Lampe sie beschien.
Hans Christian Andersen, Die Dryade

Geheimnisvoller noch als der Raum ist die Zeit: welche Ordnung, welche Struktur birgt sie?

Ich spüre das Erscheinen der zeitlichen Struktur am Rhythmus. Ich erlebe zeitliche Strukturen als dialektisch: sie gehen von Ruhe zu Bewegung, von der Bewegung zur Ruhe. Ungezählt sind ihre Erscheinungsformen: schreitend, fließend, ruckend, spielend, schleppend und so fort.

Wie aber ist das Verhältnis von Struktur und Zeit beschaffen? Ist Struktur der Zeit äußerlich, oder kann Struktur in der Zeit sein?

Wenn ich mich der Zeit über die Struktur nähern will, gilt es zuvorderst zu fragen, was ist Struktur? Struktur definiere ich zum einen als regelndes Bindeglied zwischen Inhalt und Form, Subjektivität und Objektivität, Gefühl und Verstand. Zum anderen kann ich sagen, dass Struktur ein Gefüge von Elementen darstellt. Struktur spielt in der Kategorie des Zwischen. Genau deshalb sind Strukturen als regelhafte Zusammenhänge vordergründig genau nicht sichtbar. Um sie zu erkennen, bedarf es einer tieferen Einsicht in ein System von Elementen. >

 

„Struktur und Zeit“, in: H.G. Esch, City and Structure, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern.