Essay: Garbage Housing – Produktion zur Improvisation
Ausschnitt aus dem Essay:
Garbagehousing – Produktion zur Improvisation
Katja Reichard, Jesko Fezer und Axel John Wieder von der Berliner Buchhandlung pro qm haben zum Anlass der Ausstellung “Performative Architektur” in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig Martin Pawley’s Garbage Housing with Preconsumer Waste and the 2CV Fourgonette Construction System von 1972 neu herausgegeben. Dies ist bemerkenswert, weil der Text von Pawley ein Fragment darstellt, das gerade durch seine Unabgeschlossenheit für aktuelle Debatten alternativer Architekturstrategien geeignet scheint.
Anlass der Pawleyschen Überlegungen ist eine Einladung durch die Regierung Chiles (unter Salvador Allende) zu einem Kongress 1972. Inhalt des Kongresses ist die Frage nach Möglichkeiten zur Behebung des Mangels an Wohnraum. Vorgestellt werden vornehmlich sozialistisch-paternalistische Wohnungsbaukonzepte aus kommunistischen Partnerländern wie der Tschechoslowakei und der DDR. Pawley’s Ideen stoßen hier auf völliges Unverständnis: uproar prevented the paper’s being given in its entirety, the more vocal members of the audience dismissing the notion of garbage housing as either an insult to the intelligence of the gathering (which it was not) or as part of a subtle plot on the part of ideologically bankrupt and opportunistic Western industry.
Ausgangspunkt von Pawleys Text ist die Hypothese, dass Problem und Scheitern des Massenwohnungbaus genau am Scharnier zwischen den organisationalen, ökonomischen und sozialen Richtlinien einer mass housing policy und den Wünschen derer, für die die Bauten gedacht sind, zu verorten sind. Folgerung ist ein Paradigmenwechsel im Denken von Utopie: wenn Menschen, wie Pawley aus seiner Analyse ableitet, sich eher an Bedürfnissen orientieren als an Prinzipien, dann muss Utopie von den direkten Lebensbedingungen und den daraus hervorgehenden Projektionen ausgehen.
Pawley identifiziert in diesem Kontext drei grundlegende Faktoren:
1. Der soziale Faktor sei auf einen einfachen Nenner zu bringen: poor people quite simply want to be rich. Wenn sozialer Wohnungsbau, egal ob von einem kapitalistischen oder sozialistischen System, als Alternative zu Reichtum dargestellt werde, müsse, so Pawley, die ganze Sache scheitern. Lösung könne nur eine Strategie einer anderen Repräsentation, eines anderen Images der Architektur sein. Hier führt Pawley die großen Konzerne und ihre Werbestrategien als neue Konstante ein: images of wealth such as are conveyed by a Ford, a Datsun or a Coca Cola könnten und sollten in den Kontext von Massenwohnungsbau gestellt werden. Pawley nimmt hier die kulturalistische Wende sozusagen vorweg: wenn nur der Lifestyle anders kodiert sei, könne sich der sozial Schwache den bewohnten Raum in einer neuen, kohärenteren und befriedigenderen Form aneignen, ohne jedoch an den materiellen Verhältnissen gerührt zu haben.
2. Als technischen Faktor identifiziert Pawley die Tatsache, dass industrieller Wohnungsbau zu teuer, zu unflexibel und in der Qualität letzten Endes nicht ausreichend sei und führt die Beispiele der Venezuelanischen Superblocks der späten 50er sowie das 1968 kollabierende Ronan Point an.
3. Als ökonomischen Faktor stelle sich die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realisation in großen Wohnungsbauprogrammen dar. Die reale Performanz unterschreite die Prognose, während die Kosten regelmäßig überschritten würden. Teure Arbeitskraft, die für ein solches Programm nötig sei, wäre für ein armes Land wie Chile untragbar, müssten doch viele Fachkräfte aus dem Ausland hinzugeholt werden.