Essay: Komposition und Form

Posted on Sep 18, 2007 in / Serial IFIT / Serial Publications

„Komposition und Form“ in: build, architecture magazine 4/2007, Improvisation über das Urbane, in: Michael Erlhoff, Phillipp Heidkamp, & Iris Utukal (Hg.), Designing Public: Perspektiven für die Öffentlichkeit – Perspectives for the Public, Birkhäuser Verlag, Basel/Boston/Berlin.

 

Komposition und Form                        

Ausschnitt aus dem Essay:


< Das Gefühl, nichts lasse sich ändern, hat die Musik befallen
. Adorno

Was macht man beim Komponieren? Adorno beschreibt Komponieren als Denken in Tönen, welches einer eigenen Gesetzmäßigkeit und Logik folgt und sich einerseits mit der Theorie der Musik auseinandersetzt, andererseits selbst als Gegenstand der Reflexion Theorien zu beeinflussen und zu stiften vermag. (Adorno)


Kleine Geschichte der musikalischen Komposition

Bis es dahin kam, bedurfte es einer immensen historischen Entwicklung, in deren Verlauf sich die Bedeutung des Begriffs Komposition immer wieder radikal geändert hat.

Das Wort Komposition stammt aus dem lateinischen compositio, was soviel heißt wie Zusammenstellung. Das Verb componere wird im Mittelalter als zusammenstellen, -setzen verwendet und zwar zunächst in der Medizin und der Chemie. Erst im 16. Jahrhundert gilt es auch für das Abfassen von Musikstücken und wird im 18. Jahrhundert, beeinflusst vom franz. composer, in der bildenden Kunst zu einem bestimmten Gesichtspunkten folgenden,Anordnen von Figuren. Komposition als tonschriftlich ausgearbeitete Musik wird musikalisches Werk.

So finden wir im 9. Jahrhundert Komposition nur im Bereich der Einstimmigkeit (Sequenzcantus firmus). Erst ab dem 12. Jahrhundert wird Mehrstimmigkeit möglich. Mit dem Aufstieg des Humanismus und der Renaissance, der Hinwendung zur antiken Rhetorik (für die Griechen bedeutete Komposition das wohllautende Zusammenführen der Wörter zum Satzganzen) in Verbindung mit dem Aufkommen eines neuen Harmonieverständnisses eröffnen sich neue Möglichkeiten und Freiheiten für die Komposition. Melodieführung wird komplexer: Komposition beginnt den Kontrapunkt mit einzubeziehen und damit eine radikale Neuerung in der musikalischen Setzkunst einzuleiten.

Mit dem Aufstieg der Schriftlichkeit in der Musik beginnt Komposition, als Werkzeug zur Erstellung musikalischer Werke, eine zentrale Stelle in der abendländischen Musikgeschichte einzunehmen. Die Notenschrift ermöglicht eine duale Repräsentation von Musik: als Schrift und als aufgeführtes, performatives Klangereignis. Das beinhaltet, dass es auch neue Reflexionsmodi, ein neues Nachdenken über Musik gibt. Damit einhergehend entwickeln sich neue Formen des Verstehens von Komposition, die sich sowohl in der Interpretation als auch der Rezeption und der Ausführungspraxis sowie der Editionstechnik widerspiegeln. Umgekehrt bedeutet das auch, dass Logik und Art der Aussage der Komposition mit jeweilig geschichtlich gegebenen, tonsprachlichen Konventionen verknüpft auftreten. Diese Konventionen betreffen das Tonsystem, die Tonalität, sowie das Verhältnis von Stimme und Klang, die Dissonanzbehandlung, die Messung und Gliederung der Zeit durch Mensur beziehungsweise Takt, Metrum und Rhythmus. Aus diesen, in den jeweiligen Epochen immer anders gewichteten Konventionen entwickeln sich jeweils musiksprachliche Systeme, deren Werte Kompositionen beeinflussen und die gleichzeitig durch die künstlerische Entwicklung des Komponierens verändert werden.

Wir können sagen, dass sich der Begriff Komposition im 16. Jahrhundert, in Bezug auf den ständigen Gebrauch von Musik, etabliert hat. Das ist auch daran abzulesen, dass sich aus der Schriftlichkeit der Musik ein neues Diskursfeld eröffnet. Neue Formen der Wissensvermittlung entstehen, so zum Beispiel umfangreiche Lehrbücher für Kontrapunkt. Die zunehmende klangliche, beziehungsweise akkordische Rechtfertigung des Satzes sowie die neue, selbständige Instrumentalmusik lassen im 17. und 18. Jahrhundert den Kontrapunkt zu einem Extrem sich entfalten, an dessen Höhepunkt Bach steht. >