Essay: Nachbarschaften
Ausschnitt aus dem Essay:
Der Alltag europäischer Städte ist heute gezeichnet von einer Vielfalt der Kulturen, Religionen und Milieus. Neben neuen räumlichen Ordnungen, zunehmender Mobilität und einer Heterogenität der gegenwärtigen Stadt lässt sich ein Trend zu einer neuen Unübersichtlichkeit beobachten. Die Lebensformen sind weniger linear gestaltet, sie sind durch Brüche gekennzeichnet. Deshalb wird die Frage virulent, wie sich die Stadtgesellschaft neue Rahmenbedingungen und Regulationsmechanismen geben kann, die heutiger Komplexität und Heterogenität von Urbanität gerecht werden.
Walter Siebel weist in diesem Band darauf hin, dass künftige Nachbarschaften wenig gemein haben werden mit dem Geflecht sozialer und ökonomischer Abhängigkeiten vormoderner dörflicher Nachbarschaften. Wir wollen im Folgenden aus städtebaulicher Perspektive einen Blick darauf werfen, warum das so ist und wie Nachbarschaft als Ressource zukünftiger Stadt aktiviert und gestaltet werden könnte.
Dazu werden wir vier Aspekte aufführen: Zum Ersten wollen wir schlaglichtartig aufzeigen, welche städtebaulichen Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte zu der aktuellen Situation hinführen. Im zweiten Teil wollen wir aus dem Nachbarschaftsbegriff der griechischen Antike die performative und zwischen lokal und global vermittelnde Dimension von Nachbarschaft aufzeigen. Der dritte Abschnitt ist zwei utopischen Projekten der Nachkriegsmoderne gewidmet, die ganz spezifische Versuche neuer Nachbarschaftskonstruktion darstellen. Im vierten und letzten Teil möchten wir die Fäden zusammenführen zu der Frage nach zukünftiger Nachbarschaft als Relationsgefüge, als Aufspüren von Möglichkeiten im Anerkennen und Aktivieren dessen, was ist.
B. Kniess/C. Dell, “Nachbarschaften“, in: Daniel Arnold (Hg.), Nachbarschaft, Callwey Verlag, München.